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Der Deutsche Museumsbund: Ein Interview mit Sylvia Willkomm
Der Deutsche Museumsbund e.V. (DMB) ist seit 1917 die Interessenvertretung der deutschen Museen und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Er verbindet Menschen, vielfältige Institutionen und relevante Themen rund ums Museum. Mit seiner Arbeit setzt er sich für eine qualitätsvolle Museumsarbeit und die Förderung des Austauschs zwischen Museumsfachleuten ein. Wir sprachen mit der stellvertretenden Geschäftsführerin Sylvia Willkomm über die aktuellen Herausforderungen des DMB und die gemeinsame Veranstaltung mit dem Verband der Restauratoren auf der MUTEC.
Redaktion: Sie vertreten die Interessen der deutschen Museen und deren Mitarbeiter:innen – eine wahre Mammutaufgabe. Welche Themen treiben die deutschen Museen gerade besonders um?
Sylvia Willkomm: Aktuell ist es sicher das Thema Nachhaltigkeit. Insbesondere durch die drohende Energiekrise, ist das Thema verstärkt ins Blickfeld gerückt. Im Deutschen Museumsbund beschäftigt uns das Thema bereits seit 2019. 2021 haben unsere Mitglieder das Thema dann als transversalen Schwerpunkt unserer Verbandsarbeit bestätigt. Und das ist es tatsächlich. Es ist eine Langzeitaufgabe, die alle Bereiche des Museums betrifft und eines Umdenkens und aktiven Handelns bedarf.
Um die Museen dabei zu unterstützen, erarbeiten wir aktuell mit unserem Projekt „Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Museum“ gemeinsam mit einer Arbeitsgruppe aus Museumsfachleuten und Expert:innen aus dem Bereich Betriebsökologie und Forschung praktische Handlungsempfehlungen für die Museen. Zudem gehen wir in den Austausch mit Trägerschaften und Politik, um auf die Bedürfnisse der Museen aufmerksam zu machen und den Weg für die Umsetzbarkeit der Empfehlungen zu ebnen.
Als weitere große Herausforderung ist das Thema Finanzierung zu nennen. Kultur ist immer noch eine freiwillige Leistung und die Kassen der Länder und Kommunen sind knapp, so dass viele Museen Einsparungen oder sogar Streichungen finanzieller Mittel fürchten müssen. Vor dem Hintergrund der Pandemie bedeutet dies eine enorme Herausforderung. Viele Museen sind, was ihre Einnahmen betrifft, noch nicht wieder auf dem „Vor-Corona-Niveau“. Die Lage ist also weiter angespannt und wird sich durch die bevorstehende Energiekrise noch zuspitzen. Die Energiekrise verlangt eine schnelle Umsetzung effizienter Maßnahmen, um den Energieverbrauch zu reduzieren. Das kostet Zeit und Ressourcen. Zudem werden die steigende Energiekosten die Museen hart treffen. Die finanzielle Unterstützung der Museen ist daher entscheidend. Als Museumsbund engagieren wir uns bei kulturpolitisch relevanten Gremien, beraten Administration und Politik und setzen uns für eine auskömmliche und nachhaltige Finanzierung der Museen ein.
Neben den großen Themenfeldern Nachhaltigkeit und Finanzierung ist das Thema Digitalität weiterhin relevant. Beeinflusst durch die Coronavirus-Pandemie haben die Museen einen enormen Schub erfahren und bewiesen, wie kreativ und agil sie arbeiten können. Nun heißt es, diese Entwicklung zu verstetigen. Das gilt sowohl für die vielfältigen digitalen Angebote als auch für die Arbeitsstrukturen und -prozesse innerhalb der Institutionen.
Redaktion: Für die Jahre 2019 bis 2022 hatte der DMB sechs Schwerpunkte festgelegt, denen Sie sich besonders intensiv widmen wollten. Wie lautet das vorläufige Fazit der fast dreijährigen Arbeit und wie wurde das Vorantreiben dieser Themen von der Corona-Pandemie beeinflusst?
Sylvia Willkomm: Unser Fazit fällt positiv aus. Mit unseren Schwerpunkten haben wir die aktuellen Themen und Herausforderungen im Museumssektor auf unsere Agenda gesetzt und den Museen praktische Arbeitshilfen, Qualitätskriterien sowie Möglichkeiten zur Vernetzung zur Verfügung gestellt. Durch die Corona-Pandemie haben wir die Advocacy-Arbeit des Verbandes intensiviert. Mit Stellungnahmen, Pressemeldung und im persönlichen Austausch mit Vertreter:innen aus Politik und Verwaltung haben wir die Museen vertreten. Die Krise hat uns auch agiler und flexibler gemacht, sie hat unsere Agenda aber nicht umgeworfen.
Innerhalb unseres Schwerpunktes „Umgang mit Sammlungen“ haben wir 2021 die finale Fassung unseres Leitfadens zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten veröffentlicht, gefolgt von der Publikation zum Umgang mit menschlichen Überresten in Museen und Sammlungen. Damit geben wir den Museen praktische Arbeitshilfen an die Hand und unterstützen sie dabei, sich mit ihrem kolonialen Erbe auseinandersetzen und in einen transparenten Dialog zu treten.
Im Bereich Digitalität haben wir in unserer Jahrestagung 2021 den Fokus auf digitale Sammlungsarbeit gelegt und diskutiert, wie diese das Museum als Ganzes beeinflusst und welche Chancen sich daraus ergeben. Aktuell finalisieren wir praktische Handlungsempfehlungen für die digitale Grunderfassung, um große sowie kleine Museen dabei zu unterstützen, ihre Datensammlungen optimal auf die Anforderungen der digitalen Welt auszurichten. Unser Schwerpunkt „Professionelle Museumsarbeit“ steht aktuell ganz im Zeichen der Nachwuchsförderung. Mit einem Leitfaden haben wir Qualitätsrichtlinien für Volontariate am Museum festgelegt und arbeiten kontinuierlich daran, dass diese bundesweit umgesetzt werden. Dem Thema Nachhaltigkeit widmen wir uns intensiv und erarbeiten aktuell einen Maßnahmenkatalog für mehr Klimaschutz im Museum. Und schließlich haben wir bei unserer diesjährigen Jahrestagung den Schwerpunkt „Attraktivität der Museen“ in den Fokus gerückt und gefragt, wie attraktiv sind Museen eigentlich?
Redaktion: Welchen Projekten und Schwerpunkten will sich der DMB in Zukunft verstärkt widmen?
Sylvia Willkomm: Mit unseren Schwerpunkten haben wir sehr langfristige Themen auf unsere Agenda gesetzt. Wir werden diese also in den nächsten Jahren weiterverfolgen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen, möchten wir unseren Blick zudem verstärkt auf das Thema Krisenmanagement richten. Wie werden Museen krisenfest? Welche Instrumente gibt es, um mit Krisen umzugehen? Diesem Thema widmet sich auch die Museumskunde, unsere wissenschaftliche Zeitschrift, in der ersten Ausgabe 2023. Zudem möchten wir das Thema „Attraktivität der Museen“ weiter vertiefen und dieses sowohl aus einer gesellschaftlichen als auch kulturpolitischen Perspektive betrachten.
Redaktion: Für die MUTEC 2022 organisiert der DMB zusammen mit dem Verband der Restauratoren eine gemeinsame Veranstaltung. Was erwartet die Besucher:innen konkret?
Sylvia Willkomm: Im Deutschen Museumsbund sind 15 Fachgruppen und Arbeitskreise aktiv. Diese widmen sich den unterschiedlichen Museumsgattungen und Themen im Museumsbetrieb. Im Rahmen der MUTEC 2022 wird unser Arbeitskreis Konservierung/ Restaurierung gemeinsam mit dem Verband der Restauratoren seine Herbsttagung veranstalten. Dabei stehen Transformationsprozesse sowie aktuelle Herausforderungen, denen sich die Restaurator:innen in Museen stellen müssen, im Fokus. Neben dem fachlichen Austausch bietet die Tagung auch eine hervorragende Gelegenheit zur Vernetzung.