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Von Museumssanierung bis Hexenverfolgung – die Arbeit von Friederike Koch-Heinrichs
Seit letztem Jahr ist sie Vorsitzende des Sächsischen Museumsbundes, seit 24 Jahren leitet sie das Museum der Westlausitz in Kamenz. Ein Gespräch mit Friederike Koch-Heinrichs über die Herausforderungen für Museen im ländlichen Raum, realisierte Visionen und Fettnäpfchen bei der Sanierung von Museumshäusern, Kulturförderung in Zeiten knapper Kassen und Bildungslücken bei der Hexenverfolgung. Selbstverständlich war auch die MUTEC ein Thema des Gesprächs – eine Messe, die Frau Koch-Heinrichs seit Langem begleitet. Denn schließlich pflegt die MUTEC traditionell eine enge Zusammenarbeit mit den Museumsverbänden.
Frau Koch-Heinrichs, wir befinden uns hier im Museum der Westlausitz in Kamenz. Was gibt es hier zu sehen?
Das Museum der Westlausitz ist ein klassisches Regionalmuseum. Wir beschäftigen uns interdisziplinär mit der Mensch-Natur-Beziehung in drei Fachbereichen, die Archäologie, der Zoologie und der Geologie. Von diesen verschiedenen Wissenschaften versuchen wir die Region in den Blick zu nehmen und überregional einzubetten. Das ist unsere Hauptaufgabe. Im Haus präsentieren wir dann unsere Ergebnisse und gehen inzwischen auch darüber hinaus und stellen die Methoden vor, mit denen wir zu unseren Ergebnissen kommen. In einer sehr spontanen Idee ist innerhalb einer Woche ein Raum entstanden, in der wir die Methoden der archäologischen Forschung anhand von Untersuchungen in der Region der Westlausitz präsentieren.
Das gibt ja auch einen sehr eindrucksvollen Eindruck in den Beruf der Archäolog:in, ist ja auch irgendwie ein Traumberuf von Kindern.
Auf jeden Fall. Die Leidenschaft unserer Wissenschaften wollen wir hier selbstverständlich vermitteln. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels. Daher nehmen wir auch alle Schülerpraktikant:innen auf, denn irgendwo müssen sie ja mal in wissenschaftliche Bereiche hineinschnuppern. Daher bemühen wir uns, da unseren Beitrag zu leisten.
Das Museum der Westlausitz befindet sich im ländlichen Raum. Was sind hier die Herausforderungen, was die Chancen?
Wir beschäftigen uns ganz gezielt mit dem ländlichen Raum. Die Oberlausitz ist das Forschungsgebiet des Museums. Durch unsere Arbeit präsentieren wir sozusagen eine Visitenkarte der Region. Klar ist es finanziell nicht immer leicht. Wir befinden uns aber in der Trägerschaft des Landkreises Bautzen, dem ist die Unterstützung des Bildungsauftrags sehr wichtig. Wir haben ein breites Bildungsprogramm für alle Altersgruppen und in den letzten Jahren viele Initiativen unternommen, um den Praxisbezug unseres Museums mit den MINT-Fächern zu verbinden. Wenn wir beispielsweise die Steinzeit und das Schießen mit Pfeil und Bogen betrachten, dann lässt sich das mit der Physik der Bewegung verbinden und darüber lassen sich mathematische Berechnungen mit den Kindern anstellen. Wir verstehen uns auch als Museum, das Erlebnisse schafft und damit praxisbezogenes Lernen ermöglicht. Unsere Ausstellungen ermöglichen in vielen Bereichen die interaktive Auseinandersetzung in der Vermittlung unserer Themen, wie über den Erdbebensimulator oder unseren archäologischen Schulungsraum. Unser Arbeitshaus am Rande der Stadt ist zudem als Schaumagazin konzipiert, um wissenschaftliche Arbeit transparent zu machen, dort kann Forscher:innen, Restaurator:innen und Präprator:innen über die Schulter geschaut werden. Mit unserem Träger haben wir für solche Vorhaben einen stabilen Partner an der Seite.
Sie sind im letzten Jahr zur Vorsitzenden des Sächsischen Museumsbunds e.V. gewählt worden. Dazu auch noch einmal herzlichen Glückwunsch. Auf Ihrer Mitgliederversammlung und Jahrestagung vom 29. bis zum 31. März dieses Jahr geht es unter anderem um Umbau und Sanierung von Museen. Welche Herausforderungen haben ihre Mitglieder, was werden die zur Tagung mitbringen?
Wir haben die Tagung nicht umsonst unter den Titel „Realisierte Visionen“ gestellt. Die Verwirklichung eines Sanierungsprojektes ist für ein Museen oft existentiell. Manchmal ist es die einzige Möglichkeit, ein traditionelles Museum noch zu retten oder die eine Chance, die nächsten 20, 30 Jahre in die Zukunft zu denken, schließlich definiert die Sanierung die Entwicklung eines Hauses für die kommenden Jahrzehnte. Gerade für so ein elementares Projekt hier kann man kaum auf eigene Erfahrungen zurückgreifen. Naturgemäß sind große Sanierungen einmalige Ereignisse in einem Museumsleiter-Leben. Ich selber habe als ganz junge Museumsleiterin den Umbau hier in Kamenz gesteuert, insofern habe ich etwas Erfahrung. Aber das ist 24 Jahre her, ein solches Projekt würde heute ganz anders aussehen. Für so etwas brauchen die Kolleg:innen Hilfe und Unterstützung. Wir wollen auf der Tagung Grundlagen vermitteln und Praxisbeispiele vorstellen. Wir haben es extra nicht „best practice“ genannt, sondern wollen insbesondere auch auf Fettnäpfchen und Schwierigkeiten eingehen. Zentral ist dabei der Projektweg von der Machbarkeitsstudie über die Finanzierung bis zur Umsetzung eines solchen Projektes.
Welche Kategorien werden bei einem Umbau heute mitgedacht, wo Sie auch vielleicht sagen, das war bei mir vor 24 Jahren als junge Museumsdirektorin noch gar nicht der Fall?
Teile, die heute Standard sind, haben wir auch damals schon mitgedacht, wie beispielsweise interaktive Ausstellungen und Aspekte der Vermittlung. Vieles ist aber auch erst im Laufe des Umsetzungsprozesses eingeflossen. Besser ist es, von Vornherein in der Bauplanung die Bedürfnisse an eine interaktive Ausstellung mit einzubeziehen. Die Digitalisierung spielt eine Rolle. Das erwarten Besucher:innen heute. Es muss Vertiefungsmöglichkeiten geben, beispielsweise über eine Cloud. Social Media muss mitgedacht werden, um Partizipationsmöglichkeiten zu verbessern.
Gibt es da eine Messe wo Sie sich ganz gut Inspirationen holen können [lacht]?
[lacht ebenso] Ja, ich kann mir vorstellen, dass Sie damit auf die MUTEC anspielen. Tatsächlich war 1998 das erste Mal auf der MUTEC, damals noch in München und der Besuch blieb auch danach ein wichtiges Jahresziel. Ich bin gar nicht böse, dass sie nun in Leipzig ist und versuche möglichst immer einen Besuch einzuplanen. Immerhin ist es auch eine gute Chance sich die mit Fachkolleg:innen aus den unterschiedlichen Bereichen zu treffen. Da wir gerade über Bauprojekte gesprochen haben – wenn wir den gesamten Museumsbereich nehmen mit Ausstellungen, Sammlungen und Forschungsbereichen, finden sich dort für alle Bereiche Fachpartner:innen egal, ob es um Ausstellungsbau, das Archivwesen oder um 3D-Druck geht. Im Grunde ist alles vertreten, was man an Spezialisierungen benötigt. Die Entwicklung ist in allen Bereichen so unglaublich schnell und die MUTEC eine gute Chance, damit Schritt zu halten. Daher verbindet der SMB die MUTEC auch immer mit der jährlichen Fortbildungstagung.
Funktioniert das denn gut, wenn da eine Fortbildung läuft und nebenan die Messe? Man könnte ja vermuten, die Leute lassen sich dann lieber ablenken und wollen sich gar nicht mehr bilden?
Tatsächlich ist es unseren Teilnehmer:innen immer sehr wichtig, dass genug Zeit für die Messe bleibt. Wir konnten zuletzt immer einen Spezialrundgang arrangieren, bei dem wir zu einem bestimmten Thema ausgewählte Stände aussuchen. Zudem enden wir meist 16 Uhr, sodass dann noch zwei Stunden bleiben, um selber einmal über die Messe zu gehen. Und wer noch mehr von der MUTEC sehen will, der muss einfach auch am zweiten Tag kommen.
Nochmal zurück zu Ihrem Museum. Noch bis zum 27. April lässt sich hier die Ausstellung zum Dubringer Moor besichtigen. Hier soll Kunst auf Natur treffen. Was hat es damit auf sich?
Das Dubringer Moor ist für alle unsere Fachbereiche wichtig, insbesondere aber für die Zoologie und Botanik. In dieser Ausstellung hat sich der Künstlerkreis „Kreis 07“ zu einem Pleinair im Dubringer Moor im Jahr 2021 verabredet. Die Künstler:innen haben die Natur auf sich wirken lassen und in Foto, Malerei und Skulptur das Moor künstlerisch bearbeitet und hier in der Ausstellung wiederbelebt. Die Ergebnisse dieser künstlerischen Auseinandersetzung wurden in einer Ausstellung in der Energiefabrik Knappenrode gezeigt. Ich durfte damals die Laudatio halten und war total begeistert. Ich habe gemerkt, dass die Künstler:innen selber noch nicht fertig waren und noch weiterarbeiten wollten. Mit sieben Künstler:innen haben wir den Prozess dann fortgesetzt, die weitere Besuche im Moor organisiert haben. Aus dieser ist dann die aktuelle Ausstellung entstanden.
Was ist nach dem 27. April 2025 hier zu sehen?
Am 16. Mai 2025 eröffnen wir mit der Ausstellung „800 Jahre Aberglaube und Magie“ unser nächstes großes Event. Die Stadt Kamenz wird in diesem Jahr 800 Jahre alt. Ausstellung und Begleitband sind sozusagen unser Geburtstagsgeschenk. Interdisziplinär haben wir uns in den letzten zwei Jahren mit vielen Kolleg:innen intensiv damit auseinandergesetzt und das Thema aus Sicht der Volkskunde, der Kunstgeschichte, der Archäologie und der Geschichtsforschung heraus betrachtet. So haben wir viele Informationen zum Volksglauben, den Hexenverfolgungen, der Alchemie und Heilmagie aus Sachsen und der Oberlausitz zusammentragen können. Der zeitliche Schwerpunkt ist das 15. bis 17. Jahrhundert, wir versuchen aber vom Ende des Mittelalters bis in die frühe Neuzeit dem Phänomen des Volksglaubens auf die Spur zu kommen.
Ein Thema, wo ich direkt bei mir merkte, dass da Bildung nötig ist. In unserem Vorgespräch meinte ich, dass die Hexenverfolgung eine antifeministische, hochgradig tödliche Kampagne war und Sie haben mich direkt korrigieren können.
Genau, das haben wir auch in unseren Forschungsvorhaben festgestellt. Unser heutiges Hexenbild ist ein Überprägung, die auf der kritischen Auseinandersetzung der letzten 200 Jahre zu den Hexenverfolgungen des 16. und 17. Jahrhunderts gründet. Der Mythos von der jungen, heilkundigen Frau und der alten, am Rand der Gesellschaft stehenden Heilerin, die zu Unrecht angeklagt und verbrannt wurden, entspricht nicht der historischen Wirklichkeit. In der Oberlausitz konnten wir 24 Prozesse identifizieren und circa zur Hälfte waren Männer betroffen. In ganz Deutschland waren ein Drittel der Ermordeten Männer. In Island waren sogar zu 90 Prozent Männer betroffen! Es gibt auch Regionen, wo vor allem Kinder hingerichtet wurden. Also, das ist sehr, sehr unterschiedlich und das, was in unserem gesellschaftlichen Gedächtnis verankert ist, hat mit der historischen Realität nicht so viel zu tun.
Zum Abschluss – welche Erwartungen haben Sie an die politischen Entscheidungsträger:innen mit Blick auf die Kulturförderung in Zeiten, in denen starke Auseinandersetzungen darüber stattfinden, wofür Geld ausgegeben wird?
Es ist selbstverständlich, dass in schwierigen Zeiten auch Kunst und Kultur einen Beitrag leisten und Ausgaben kritisch betrachten müssen. Es ist jedoch wichtig dies mit Augenmaß zu tun und dabei keine Strukturen zu zerstören, die in den letzten Jahrzehnten mit viel Engagement und entsprechenden finanziellen Mitteln aufgebaut wurden. Wir haben bereits jetzt einen Investitionsstau in den Museen Sachsens. Wir müssen hier in die Zukunft denken und die Infrastruktur nicht den knappen Kassen opfern. Im Gegenteil, wir sollten alles daran setzen für unsere Kultureinrichtungen zukunftsfähige Strukturen zu schaffen.
Sie sind ja nun als Vorsitzende des Sächsischen Museumsbunds in der Position, derlei Forderungen an die Politik zu formulieren. Finden Sie da Gehör?
Wir stehen in engem Austausch mit dem Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst und haben bisher immer sehr offene Ohren vorgefunden. Gerade läuft der Evaluationsprozess zum Kulturraumgesetz. Gerade in der ländlichen Region ist das Gesetz die wichtigste Grundlage zum Erhalt der kulturellen Infrastruktur und oft die einzige Fördermöglichkeit für die Basisfinanzierung der Kultureinrichtungen. Auch um die die Häuser fachlich zu begleiten, ist die Einbindung in die Kulturräume wichtig. Über reine Projektfinanzierung ist eine kontinuierliche Entwicklung nicht möglich. Als Sächsischer Museumsbund sind wir in engem Kontakt mit dem SMWK und begleiten den Evaluationsprozess.
Dann wünsche ich Ihnen alles Gute und viel Erfolg bei der Eröffnung der neuen Sonderausstellung!
